Ausstellungskatalog als PDF: Macht-Katalog
Als gedruckte Version (21x21cm/32 Seiten) auf Anfrage.
Ausstellung 2017 im BBK-Kunstforum Düsseldorf e.V.:
(Aufnahmen: Wilfred H.G. Neuse)
Eröffnung war am Freitag dem 7.7.2017
Begrüßung durch Hanne Horn (BBK-Düsseldorf Vorstand)
Grußwort: Dr. Uwe Wagner, Bezirksbürgermeister
Musik: Norbert Hambloch, Saxophon & Udo Hasenbein, Gitarre/Loops
Prof. Jörg Eberhard:
„Das Träumen von Träumen“
Zu der Ausstellung »Macht« in den Räumen des BBK-Kunstforum Düsseldorf e.V.
Die Titel von Ausstellungen oder diejenigen von Kunstwerken rufen in unserer Vorstellung sogleich Bilder und Erwartungen auf und lassen uns Einsichten und Genuss erwarten.
Beschäftigen sich drei bildende Künstler, eine Künstlerin und ein Literat mit der Macht, dann gestalten sie etwas, das man selber nicht direkt sehen kann, sondern nur die angewandten Mittel und die entstehenden Folgen.
Es gibt gesetzlich legitimierte und ungesetzliche Macht, Formen fragwürdiger Machtausübung und letztlich die Verknüpfung der Begriffe Macht und Gewalt.
Die vier hier vertretenen Künstler und die Künstlerin müssen also zunächst einen Bereich der Macht auswählen, diesen differenzieren und sich bildhaft aneignen, um uns ein und ihr Bild davon vor Augen zu stellen.
In der Mehrzahl haben sie sich für den Anblick des Präludiums vor der ausbrechenden Gewalt und der historischen Spuren von dieser, entschieden.
Waffen im Anschlag, das Warten auf das gleich Geschehende, die Überbleibsel und Trümmer der Geschichte und Spuren der emotionalen Reaktion darauf, werden sichtbar.
Weil hier Bilder gezeigt und keine Zusammenhänge belegt werden müssen, steht die Kombination von Dokumenten mit scheinbar abschweifenden inhaltlichen Elementen und den materiellen künstlerischen Mitteln, den verwendeten Materialien der Kunstwerke, im Zentrum dieser Arbeiten.
Dies ist wichtig, denn die ausgestellten Bilder und Objekte sollen keine Propagandabilder sein, sondern die Künstler wollen feinfühlig auf Erscheinungen und Erinnerungen der Gesellschaft Bezug nehmen und uns Seh- und Denkspuren zu einer unterscheidenden Wahrnehmung anbieten und offenlegen.
Poesie, politische Poesie, also ein Phantasieraum mit einem Schwerpunkt, auf den alle Teile zustreben, ohne logisch verbunden zu sein und manchmal die Ironie, die etwas Schlimmes in einem alltäglichen Rahmen augenzwinkernd als harmlos vorstellt, sind hier eine starke Möglichkeit der Kunst.
Das überkommene Vertrauen in die Wirksamkeit des Bildes liegt allen diesen Werken zugrunde, wenn sie sich auch und oft den aktuellen technisch-digitalen Möglichkeiten der Kunstproduktion bedienen. Allein Karin Dörre malt in der Form vertraute Bilder und Jens Prüss als Literat vertraut auf die in unserem Alltagsaustausch verankerte Kraft der Sprache.
Karin Dörre zeigt in der Ausstellung fünf kleine Gemälde in Schwarz und Weiß, die Soldaten bei der Wache mit Fernglas, fliehende Leute, lagernde Kämpfer und eine Drohne über einer Landschaft abbilden. Die Menschen und die Drohne sind mit schwarzen Linien deutlich gezeichnet und nähern sich mit ihrer Graphologie dem Schreiben, dem Beschreiben an, während der Hintergrund fast wie eine gelenkte Pfütze aussieht, auf die wir viel unmittelbarer reagieren, da sie zuerst sich selber zeigt und dann erst Wolke, Atmosphäre oder Landschaft wird.
Das kleine Format macht den Blick auf diese Bilder privat, will sagen empfindsamer und vieldeutiger. Er sucht kein öffentliches Einverständnis und will keine Meinungsäußerung, sondern fordert ein Einfühlen, ein sich Vorstellen dieser grausamen Situation.
Diese kleinen Bilder bieten sich einem einzelnen und geduldigen Betrachter dar und gestalten fein, dass Krieg aus dem Warten der Betroffenen und dem Nichtgeschehen von allem Möglichen besteht und Gewalt relativ kurz und eruptiv geschieht.
Macht wird von Karin Dörre als Möglichkeit gezeigt, Leute in eine sich immer wiederholende Passivität zu zwingen, ohne eine Hoffnung auf kurzfristige Veränderung.
Dieter Fleischmann hat in einer Raumecke eine Videoinstallation über Eck aufgebaut.
Ein Film zeigt, in Zeitlupe, den seitlichen Blick hinaus in die Umgebung, während kurzer Straßenbahnfahrten und veranschaulicht und fordert damit das genaue Hinsehen im unauffälligen Alltag. Das gefundene Video (in der Technik der found footage) daneben, zeigt die Erprobung von Schwarmdrohnen durch das Militär, dargestellt fast wie ein Videospiel. Unter der einen Projektion hängt ein Text von Robert Walser, unter der anderen ein erklärender Militärtext zu dem Video darüber.
Es ist, als seien die beiden Videos Seiten eines Buchs, das über die Ecke um 90° aufgeklappt ist, aber sich auch wieder schließen kann. So erinnern die zehn kurzen Videoclips auf der linken Seite und das sich wiederholende, aus dem Internet stammende Video auf der rechten Seite an ein seltsames Buch, das einem mit unsichtbarer Hand vorgeführt wird und das man nicht liest, sondern in dem man bildhaft herumblättert. Die ausgehängten Texte sind wie Unterschriften oder Fußnoten zu den Bildern.
Man wird diesem Werk von Dieter Fleischmann weniger als Betrachter gegenübergestellt und fühlt sich mehr in dieses hineingezogen. Nicht das Betrachten, sondern das Mitlesen und Hineingeraten, wenn man so will das Verinnerlichen im Sinn des Aneignens, ist Ziel der Installation.
Ulrich Mennekes hat eine Installation und zwei Objekte aufgebaut. Auf einem Leuchttisch, unter Glasstürzen, also ganz museal, sieht man zwei glamouröse Frauen und einen Offizier (alle drei als Büsten) sich anblicken, daneben eine Märchenszene und dazwischen explodieren zwei Granaten, viel Erde aufwerfend, als Spielzeugattrapen.
Die andere Arbeit zeigt ein Mobile, aufgehängt an einem Mikrofongalgen, das aus wollgestrickten Handgranaten besteht und in einem fein tarierten Gleichgewicht sich langsam bewegt. Wenn Sprengkraft nur sonst auch so leicht zu zähmen wäre!
Die Installation gruppiert Baumstammscheiben als Sitze um einen, wie ein offener Kamin mit Feuer aussehender, elektrischen Heizlüfter.
Auf zwei der Holzscheiben »sitzen« alte Diaprojektoren, die ein Paar auch alte Familienfotos an die Wand werfen: eine Spaziergangsszene am Rheinkilometer 719 und, versetzt darüber, sehr junge Flakhelfer, die auf die Kamera heruntersehen.
Leise sickert hier Erinnerung und Geschichte (mit ihrer Macht) in das Private hinein. Das Vertraute und das Rätselhafte verbinden sich zu einer heimeligen Beunruhigung.
Wilfried H.G. Neuse collagiert Polaroids, aufgenommen vom Bildschirm des Fernsehapparats, digitalisiert diese und macht daraus am Rechner Collagen.
Dies sind in der Form und der Farbe schöne Bilder, die erst langsam im Blick lesbar werden und ihre dunkle Seite offenbaren. Bilder amerikanischer Hinrichtungspraxis tauchen da auf, Soldaten mit angelegtem Gewehr, zerfallende Texte.
Neuse ist fasziniert einerseits von vergangenen Bildtechniken wie der Polaroidfotografie, die heute, schwer zugänglich, technisch fragile Bilder liefern, von Fotos, die den Schatten von unmittelbar aufgelegten Objekten festhalten und andererseits von den zahllosen Möglichkeiten der digitalen Bildproduktion, vor allem auch deren Möglichkeit zum großformatigen Ausdruck und damit zum öffentlichen Blick auf diese.
Sahen wir bei Karin Dörre eine private, dann sehen wir bei Neuse eine öffentliche Politik der Bilder.
Es gibt aber auch die Hinwendung zum poetischen Blick bei Neuse in seinen Bildobjekten, die aus direkt belichteten und manipulierten Polaroids und anderen Materialien bestehen und der öffentlich-politischen und schnellen Sicht der Digitaldrucke eine auch haptisch erfühlbare, kleinformatige Lyrik gegenüberstellen (wenn auch hier vom Bild von Spielzeugsoldaten durchsetzt).
Jens Prüss ist Schriftsteller und trug zu der Ausstellung durch einen vorgetragenen Text bei. Dies fügte sich gut in den Zusammenhang ein, denn die bildenden Künstler und die Künstlerin zeigten Werke, die einen sprachlichen Austausch darüber nahelegen, in dem Sinne, dass sich die Betrachter gegenseitig etwas zeigen.
Sprache als unsere feinste und vielseitigste Verständigungsmöglichkeit, hier vorgetragen und nicht nur gelesen, wurde so selber zu einem ausgestellten Gegenstand.
In einem Albtraum des Papstes begehren die ausgebeuteten Kinder der Welt auf und zerstören die Welt, um sich dann Rom zu nähern. Der erschreckte Papst erwacht und diktiert eine wohlgemeinte Enzyklika. »Ob`s was helfen wird?« fragt die Erzählung am Ende.
Karin Dörre, Dieter Fleischmann, Ulrich Mennekes, Wilfried H.G. Neuse und Jens Prüss haben mit dieser gemeinsamen Ausstellung versucht, uns einen bösen und einen schönen Traum träumen zu lassen, davon wie es ist und wie es sein könnte.